Grundsicherung für Arbeitssuchende

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Rechtmäßigkeit der Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und der Sozialhilfe wegen Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit im sozialgerichtlichen Eilverfahren.

Zum Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer bezogen Sozialhilfe nach dem BSHG. Ab Oktober 2003 stellte der Träger der Sozialhilfe die Leistungen ein. Er hatte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Beschwerdeführer, da diese 2 PKW gehalten hatten, auf Wochenmärkten Dienstleistungen anboten und einen Sparvertrag mit monatlich 25 € bedienten. Auch weitere Anträge auf Gewährung von Sozialhilfe blieben erfolglos.

Nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende durch das SGB II und der Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch als SGB XII beantragten die Beschwerdeführer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Dieser Antrag wurde unter Hinweis auf die Einstellung der Sozialhilfe im Oktober mit der Begründung abgelehnt, es bestünden noch immer Zweifel an der Hilfebedürftigkeit. Die Beschwerdeführer legten Atteste vor, nach denen sie an nicht heilbaren, dauernd behandlungsbedürftigen chronischen Krankheiten litten. Sie trugen vor, dass sie mittellos seien, ihre Wohnung sei gekündigt, es bestehe ein Mietrückstand von mehreren tausend Euro, ihr Girokonto sei überzogen, die Einstellung der Energieversorgung drohe, der Krankenversicherungsschutz drohe zu erlöschen.

Sowohl das Sozialgericht Köln, als auch das Landessozialgericht NRW verhalfen den Beschwerdeführern nicht zu ihrem Recht.

Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidungen des Sozialgerichtes Köln und des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen auf, da diese die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz verletzen.

Aus den Gründen:

„...Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann…“

„…Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen…“

„…Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden…“

„… Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatgebot folgt. Diese Pflicht besteht unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit. Hieraus folgt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, soweit es um die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller geht, nur auf die gegenwärtige Lage abgestellt werden darf. Umstände der Vergangenheit dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Antragstellers ermöglichen…“

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Von Constanze Würfel

BSG bestätigt auch aktuell Rechtswidrigkeit der Kürzung von Sozialleistungen für behinderte Menschen

Das Bundessozialgericht hat mit einer aktuellen Entscheidung vom 24.03.2015 die Rechtsprechung fortgeführt, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 27a Abs 3 SGB XII iVm der Anlage zu § 28 SGB XII, wenn erwerbsunfähige volljährige behinderte Menschen mit ihren Eltern bzw einem Elternteil zusammenleben, aufgrund gesetzlicher Vermutung (§ 39 SGB XII) von einer gemeinsamen Haushaltsführung auszugehen ist und damit Leistungen für den Lebensunterhalt grundsätzlich nach der Regelbedarfsstufe 1 (100 %) statt der Regelbedarfsstufe 3 (80 %) zu gewähren sind.

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Von Constanze Würfel

Eilmeldung - Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kündigt an, die Kürzung der Sozialhilfeleistungen für behinderte Menschen zu beenden.

Trotz mehrerer Urteile des Bundessozialgerichtes vom Sommer 2014 verweigert das Bundessozialministerium (BMAS) erwachsenen Menschen mit Behinderung, die von Angehörigen betreut werden, die volle Grundsicherung. Das Bundessozialgericht in Kassel hatte im Sommer 2014 entschieden, dass die bisherige Kürzung, so die Richter in drei Grundsatzurteilen (AZ: B 8 SO 14/13 R, B 8 SO 31/12 R, B 8 SO 12/13 R) gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstoße.

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Von Raik Höfler

Sozialgericht Leipzig: Anspruch auf Lernförderung auch bei längerfristigem Bedarf und Dyskalkulie möglich

Das Sozialgericht Leipzig hat mit Urteil vom 07.07.2014 (Aktenzeichen: S 3 AS 2028/12) entschieden, dass Leistungen für Nachhilfeunterricht von dem Jobcenter auch dann zu erbringen sein können, wenn eine längerfristige Nachhilfe erforderlich ist oder eine Teilleistungsschwäche (z.B.: Legasthenie oder Dyskalkulie) vorliegt.

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Von Raik Höfler

BSG: Studenten im Urlaubssemester können Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 22.03.2012 (Az.: B 4 AS 102/11 R) entschieden, dass Studenten, welche sich in einem Urlaubssemester befinden, einen Anspruch auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben können. Hintergrund ist die Regelung in § 7 Abs. 5 SGB II, wonach Auszubildende deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder des BAB dem Grunde nach förderungsfähig ist keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben.

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Von Cornelia Queck

Tilgungsraten für Hauseigentum sind vom Jobcenter zu übernehmen, wenn sie unvermeidlich und angemessen sind

Das LSG Chemnitz hat mit Urteil vom 05.05.2011 (Az.: L 2 AS 803/09) entgegen der bisherigen Rechtsprechung zugunsten von Haus- und Wohnungseigentümern im Alg-II-Bezug entschieden, dass jedenfalls bei drohendem Verlust des Eigenheims nicht nur Betriebskosten und Schuldzinsen, sondern auch die Tilgungsraten vom Jobcenter bis zu der Höhe zu übernehmen sind, die für einen Mieter als angemessene Unterkunftskosten anerkannt werden. Eigentümer müssen sich insoweit auch nicht auf ein Darlehen verweisen lassen.

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Von Raik Höfler

BSG: Leistungen nach dem SGB II auch für Zuwanderer aus bestimmten europäischen Staaten

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II haben Zuwanderer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie deren Familienangehörige keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Das Bundessozialgericht hat nunmehr mit Urteil vom 19.10.2010 (Az.: B 14 AS 23/10 R) entschieden, dass diese Ausschlussregelung nicht für in Deutschland lebende Hilfebedürftige aus den europäischen Staaten, welche das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 unterzeichnet haben, gilt.

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Von Sebastian Obermaier

Widerspruch und Klage gegen Nachteilsausgleichsentziehung haben aufschiebende Wirkung ! Sächsisches Gesetz unwirksam !

§ 8 Abs.2 Satz 2 Sächs. LBlindG sieht die Anwendbarkeit der besonderen Vorschriften für das soziale Entschädigungsrecht im Sozialgerichtsgesetz vor. Im Klartext bedeutet dies, dass die Behörde die Leistungen sofort einstellt, auch wenn sich der Betroffene mit Widerspruch und ggf. Klage dagegen wendet. Denn gemäß § 86a Abs.2 Nr. 2, 1. Alt. Sozialgerichts-gesetz entfällt in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage.

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Von Raik Höfler

BSG: Darlehen von Verwandten ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 17.06.2010 (Az.: B 14 AS 46/09 R) klargestellt, dass ein rückzahlungspflichtiges Darlehen im Rahmen der Berechnung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II nicht als (anzurechnendes) Einkommen zu berücksichtigen ist. Da die Hilfebedürftigen mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, wird ihre Vermögenssituation nicht verbessert.

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Von Constanze Würfel

Bundessozialgericht entschied zu Unterkunftskosten bei Umzug

Bundessozialgericht bestätigt : Auch für Harzt IV Empfänger gilt der Gleichheitssatz aus dem Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“(Art 3 Abs 1 GG) und „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“( Art 11 GG)

Der 4. Senat des Bundessozialgerichtes hat am 1. Juni 2010 im Verfahren B 4 AS 60/09 R entschieden, dass der Träger der SGB II Leistungen verpflichtet ist, nach einem Umzug von Bayern in eine teurere Wohnung in Berlin, deren Mietzins für Berliner Verhältnisse jedoch angemessen ist, diese Kosten der Unterkunft zu übernehmen.

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