Herr S. ist am 08.05.1956 geboren und von Beruf Baufacharbeiter und hat die letzten Jahre als Vorarbeiter in einem Bauunternehmen gearbeitet. Er ist bereits seit Monaten aufgrund erheblicher Beschwerden an der Bandscheibe und damit im Zusammenhang stehender psychischer Probleme arbeitsunfähig geschrieben. Eine Besserung ist nach Auffassung der behandelnden Ärzte nicht in Sicht. Eine OP wird nicht angeraten, physiotherapeutische Maßnahmen sind erschöpft. Herr S. fühlt sich nicht mehr in der Lage seine bisherige Tätigkeit als Baufacharbeiter auszuüben. Die Krankenkasse des Herrn S. legt ihm nahe, einen Antrag bei der LVA auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zu stellen. Herr S. stellt den Rentenantrag, die LVA gewährt ihm eine 3-wöchige stationäre Rehabilitationsmaßnahme in einer Kureinrichtung in P. Herr S. fährt zur Kur, auch die hier durchgeführten Maßnahmen führen nicht zur wesentlichen Besserungen seiner Beschwerden. Er wird weiterhin arbeitsunfähig mit der Empfehlung weiterer ambulanter physiotherapeutscher Maßnahmen sowie der Konsultation in einer Schmerzsprechstunde und eventuell eines Psychologen am Wohnort entlassen. Nach der Rückkehr teilt ihm seine Krankenkasse mit, daß sein Krankengeldanspruch ( 78 Wochen) demnächst ausläuft. Der behandelnde Arzt schreibt Herrn S. auch über diesen Zeitpunkt hinaus krank.
Was kann Herr S. nun tun – wie geht es weiter?
Zunächst sollte Herr S. zu seinem Arbeitgeber gehen und diesen von seiner Situation informieren. Besteht aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Einsatzmöglichkeit, sollte das Ruhen des Arbeitsverhältnisses bis zur Entscheidung über den Rentenantrag des Herrn S. vereinbart werden. Im Rahmen dieser Vereinbarung verzichtet der Arbeitgeber auf sein Direktionsrecht, Herr S. wird von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung, der Arbeitgeber zur Verpflichtung zur Lohnzahlung befreit. Diese Vereinbarung gibt Herrn S. die Möglichkeit, sich nach Auslaufen des Krankengeldes beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden und Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen. Das Arbeitsamt ist verpflichtet ihm bis zur Entscheidung über seinen Rentenantrag Arbeitslosengeld bzw .-hilfe zu gewähren.
Es ist Herrn S. anzuraten, auf eine schnellstmögliche Entscheidung der LVA hinsichtlich seines Rentenantrages zu dringen. Gegebenenfalls kann mit Untätigkeitsklage gedroht werden. Lehnt die LVA den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab, kann Herr S. gegen diesen Bescheid innerhalb 1 Monats Widerspruch einlegen. Dies sollte er schriftlich tun und sich eine Kopie fertigen. Zur Begründung sollte Herr S. angeben, daß die von ihm geklagten Beschwerden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, aufgrund derer er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann. In diesem Zusammenhang sollte Herr S. alle seine behandelnden Ärzte angeben. Sofern auf diesen Widerspruch ein ablehnender Widerspruchsbescheid der LVA ergeht, bleibt Herrn S. nur der Weg zum Sozialgericht. Die Klage ist ebenfalls innerhalb eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheides beim für den Wohnort des Herrn S. zuständigen Sozialgericht einzureichen. Dies kann er persönlich bei der Rechtsantragsstelle des Gerichtes tun oder einen Anwalt beauftragen.
In den meisten Fällen wir das Sozialgericht ein Gutachten eines Facharztes – im Falle des Herrn S. eines FA für Orthopädie und evtl. eines FA für Neurologie/Psychatrie oder für Nervenheilkunde – zum Leistungsvermögen einholen.
Entscheidend ist, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger noch in der Lage ist, körperlicher Tätigkeiten welchen Schweregrades zu verrichten.
Bescheinigt der begutachtende Arzt ein vollschichtiges (d.h.täglich mindestens 6-stündiges) Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten, liegt keine volle Erwerbsminderung vor. Ein Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente ist nicht durchsetzbar. Da Herr S. vor dem 2. Januar 1961 geboren ist, kann er jedoch unter Umständen einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit haben. Wird Herrn S. ärztlicherseits bestätigt, daß er die zuletzt von ihm ausgeübte Tätigkeit als Baufacharbeiter nicht mehr 6 Stunden täglich ausüben kann und kann ihm die LVA keine zumutbare Verweisungstätigkeit benennen, ist er berufsunfähig und hat einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit . Diese Rente ist in der Regel eine „halbe“ Erwerbsminderungsrente. Wichtig ist in diesen Fällen, daß der Nachweis des Vorliegens eines entsprechenden Berufsabschusses ( Facharbeiterbrief o.ä) erbracht wird und die letzte Tätigkeit diesem Abschluß entspricht. Nur dann kann ein entsprechender Berufsschutz geltend gemacht werden. Dieser Berufsschutz bewirkt, daß der Betroffene nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, sondern die Verweisbarkeit durch den erworbenen Berufschutz beschränkt ist.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Verfahren zur Durchsetzung eines Anspruches auf Erwerbsminderungsrente gegen den Rentenversicherungsträger bei Inanspruchnahme des Gerichtes sich im Durchschnitt bis zu 2 Jahren hinzieht. In jedem Fall günstig ist natürlich, sich eine rechtlichen Beistand mit sozialrechtlicher Kompetenz zur Hilfe zu nehmen.