MS-Erkrankung: Krankenkassen müssen aufwändiges Fußheber-System bezahlen

von Constanze Würfel

Versicherte, die an fortgeschrittener Multipler Sklerose (MS) leiden, haben Anspruch darauf, dass die Krankenkasse die Kosten für ein modernes, technisch aufwändiges Fußheber-System zur funktionellen Elektrostimulation übernimmt. Dies ergibt sich aus zwei aktuellen Entscheidungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. und 19. Juni 2018 (AZ: L 4 KR 531/17 und L 11 KR 1996/17).

Geklagt hatten zwei Frauen, die seit 15 Jahren an Multipler Sklerose leiden. Inzwischen war die Erkrankung fortgeschritten, die Gehfähigkeit der Klägerinnen war bereits stark beeinträchtigt. Sie beantragten 2014 bzw. 2015 bei ihren jeweiligen Krankenkassen unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung die Versorgung mit dem Fußheber-System Ness L 300 als Hilfsmittel. Dieses kostet etwa 5.500 Euro. Das Fußheber-System sendet drahtlos kleine elektrische Impulse an den Wadenbeinnerv. Dadurch werden die Fußheber stimuliert. Das System erfasst in Echtzeit die Gehposition, die verschiedenen Gehgeschwindigkeiten sowie Änderungen in der Untergrundbeschaffenheit.

Die Krankenkassen lehnten die Anträge ab. Sie meinten, es stünden kostengünstigere und für die Versorgung ausreichende Fußhebeorthesen oder sogenannte Peronäusschienen zur Verfügung. Außerdem habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) keine positive Empfehlung für diese Art der Krankenbehandlung abgegeben. Die Sozialgerichte gaben den Klagen statt. Dagegen legten die Krankenkassen Berufung ein.

Die Berufungen blieben ohne Erfolg. Das LSG entschied, dass eine positive Empfehlung des G-BA nicht erforderlich sei, da vorliegend nicht eine (neue) Methode der Krankenbehandlung in Frage steht. Das Fußhebersystem diene nicht der Krankenbehandlung, sondern sei ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich. Es soll die Gehfähigkeit und Mobilität der Versicherten zu verbessern. 

Auch dürften Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte der Versorgung nicht entgegenstehen. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs dürften Versicherte nicht auf kostengünstigere, aber weniger wirksame Hilfsmittel verwiesen werden. Sie hätten Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Beide Senate gingen davon aus, dass das neue Fußheber-System entscheidende Verbesserungen für die Gehfähigkeit und Mobilität der Versicherten mit sich bringt und daher eine Versorgung für Betroffene erforderlich und gerechtfertigt ist.

Aus meiner Sicht wieder eine Entscheidung, die Betroffenen sehr helfen kann. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungen rechtskräftig werden.

Constanze Würfel

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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