Etwaige „Hartz IV“-Nachzahlung durch Überprüfungsantrag sichern !
Das Bundesverfassungsgericht hat sich aufgrund der Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts – B 14 AS 5/08 R – vom 27.01.2009 sowie des Hessischen Landessozialgerichts – L 6 AS 336/07 – vom 29.10.2008 mit der Frage zu befassen, ob die gemäß dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gewährten Regelsätze verfassungsgemäß sind. Das Bundessozialgericht hat die Vorlagefrage auf die bloß 60%ige Regelleistung für Kinder bis 14 beschränkt; das Hessische Landessozialgericht hat alle Regelleistungssätze zur Überprüfung vorgelegt.
Ob und inwieweit das Bundesverfassungsgericht die Vorlagen als zulässig und begründet erkennt ist nicht abzusehen. Erst recht unabsehbar ist, ob und ggf. für wen es zu Nachzahlungen kommen wird.
Für alle, die seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II beantragt haben, ist Folgendes zu beachten:
Grundsätzlich werden rechtswidrig vorenthaltene Sozialleistungen für den Zeitraum bis zum Anfang des 5. Kalenderjahresbeginns vor dem Überprüfungsantrag nachgezahlt.
Hiervon sieht das SGB II/SGB III jedoch einschneidende Ausnahmen betreffend Präzedenzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts vor. Von für den Bürger günstigen Entscheidungen profitieren für die Vergangenheit nur die unmittelbaren Kläger/Beschwerdeführer und all diejenigen, deren Verwaltungs- bzw. ggf. auch Gerichtsverfahren nicht abgeschlossen sind.
Um im Fall einer für die Bedürftigen günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts profitieren zu können, empfiehlt es sich, dafür Sorge zu tragen, dass die Verwaltungsverfahren betreffend alle bisherigen Anträge auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht bestandskräftig abgeschlossen sind.
Sofern Anträge bestandskräftig abgelehnt oder die Leistungen betreffend bestimmte Bewilligungszeiträume bestandskräftig entschieden wurden (also wenn kein Widerspruch eingelegt wurde oder die Rechtsbehelfsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen wurden), kann jetzt - also noch vor den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – ein Überprüfungsantrag gestellt werden.
Zur Minimierung des Aufwandes - auch für die Behörde – erscheint es angezeigt, das Überprüfungsverfahren bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ruhen zu lassen.
Ob ein Überprüfungsantrag gestellt werden soll, sollte sich jedoch insbesondere derjenige gut überlegen, der „Etwas zu verbergen hat“ bzw. aufgrund einer fehlerhaften Verwaltungsentscheidung höhere Leistungen erhalten hat, da nicht auszuschließen ist, dass die Behörde bei der nochmaligen Bearbeitung auf Umstände stößt, die eine rückwirkende Aufhebung und Rückforderung rechtfertigen.
Einfaches Musterschreiben:
An die ARGE …
Betreff: Antrag nach § 44 SGB X
Sehr geehrte Damen und Herren,
Bezug nehmend auf die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts – B 14 AS 5/08 R – vom 27.01.2009 sowie des Hessischen Landessozialgerichts – L 6 AS 336/07 – vom 29.10.2008 beantrage ich hiermit (für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft), insbesondere im Hinblick auf § 40 Abs.1 Ziffer 1. SGB II i.V.m. § 330 Abs.1 SGB III, die Überprüfung der Leistungsansprüche nach dem SGB II für den gesamten Zeitraum ab der erstmaligen Antragstellung.
Da noch nicht absehbar ist, ob und in welcher Höhe die Regelleistungssätze anzuheben sind, wird angeregt, dieses Verwaltungsverfahren erst weiter zu betreiben, wenn die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorliegen.
Ich bitte um eine umgehende schriftliche Eingangsbestätigung.
Mit freundlichen Grüßen
Das Sozialgericht Leipzig hat mit Gerichtsbescheid – S 9 AS 3050/15 – vom 12.09.2017 eine Sanktionierung durch das Jobcenter aufgehoben, obwohl die Arbeit suchende Person weder den Eingang der Bewerbung bei dem potentiellen Arbeitgeber noch die Absendung der Bewerbung (nach den strengen Beweisregeln) beweisen konnte.
Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss – B 14 AS 64/17 B – vom 25.10.2017 auf die Beschwerde der Klägerin die Revision gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17.11.2016 zugelassen. Die bedeutet, dass gehofft werden darf, dass der 14. Senat des Bundessozialgerichts den rechtlichen Gehalt des „atypischen Sonderbedarfs“ nach § 21 Abs. 6 SGB II konturiert.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 23.05.2013 (Az.: B 4 AS 67/12 R) entschieden, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II für Zeiten, in denen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf Grund eingetretener Sanktionen keine Leistungen für Unterkunft und Heizung erhalten, einen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung haben.
Nachdem die Stadt Leipzig im vergangenen Jahr einsehen musste, dass ihre vom Sozialamt und vom Jobcenter Leipzig anzuwendende Richtlinie betreffend die Angemessenheitsgrenzen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung vor der Sozialgerichtsbarkeit keinen Bestand hatte
Oftmals zahlen Arbeitgeber viel zu niedrige Löhne, so dass die Arbeitnehmer gezwungen sind, aufstockend Leistungen nach dem SGB II zu beantragen. Als sittenwidrig ist z.B. ein Lohn von 3,50 Euro brutto anzusehen. Wenn Arbeitsentgelte sittenwidrig niedrig sind, steht den Betroffenen aus § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung, im Zweifel also der Tariflohn zu. Auch macht sich der Arbeitgeber dann strafbar.
Auch wenn die am 3.12.2010 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzesänderungen vorerst vom Bundesrat gestoppt sind, ist dringend zu empfehlen, (nachweislich bis spätestens 31.12.2010 bei der Behörde eingehende) Überprüfungsanträge zu stellen, wenn die Vermutung besteht, dass in den Jahren 2006 bis 2009 zu Unrecht Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII ganz oder teilweise vorenthalten wurden.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09,
1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – erkannt, dass dem SGB II eine Härtefallregelung fehlt und diese (im Rahmen einer einstweiligen Anordnung bis zur gesetzlichen Neuregelung) mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt.
Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag abzudecken. Das Gesetz muss dann jedoch eine Härtefallöffnungsklausel für atypische Fälle haben.
Das Sächsische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 25.02.2010 – AZ: L 2 AS 451/09 - die Berufung der Bundesagentur für Arbeit gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26.05.2009 – S 23 AS 457/08 – zurückgewiesen. Damit wurde die Stattgabe der auf grundsätzlichen sozialverwaltungsrechtlichen Erwägungen gestützten Klage gegen eine Mahngebührenfestsetzung der Bundesagentur für Arbeit wegen einer Arbeitslosengeld II-Rückforderung bestätigt.
Seit 2005 kürzen die für das Arbeitslosengeld-II zuständigen Behörden die Regelleistung bei einem Aufenthalt im Krankenhaus um einen pauschalen Betrag. Begründet wird dies damit, dass durch die Krankenhausverpflegung eine Kostenersparnis eintritt und der Leistungsempfänger sich diese anrechnen lassen muss.
Erst das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.06.2008 zum Aktenzeichen B 14 AS 22/07 R dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben. Das Gericht hat bestätigt, dass es bis zum 01.01.2008 keine Rechtsgrundlage für eine solche Kürzung gegeben hat.